II. So sieht in vielen Fällen die Realität aus – echte Menschen eben
1. Fall-Variante: Anwalt ja, Steuerberater nein
Die Eheleute sind wieder beim Anwalt – dieser Anfang der Geschichte wäre noch prima! – und lassen sich wie oben dargestellt beraten. An der Stelle, als der Anwalt den Eheleuten sagt, dass er von Steuerrecht keine Ahnung hat, und ihnen dringend raten würde, zum Steuerberater oder Fachanwalt für Steuerrecht zu gehen, kommt die Abzweigung (Fall-Variante 1): die Eheleute sind von Natur aus geizig, machen ihre nicht ganz unkomplizierten Einkommenssteuererklärungen immer selbst und haben deshalb keinen ständigen Steuerberater. Sie gehen also nicht wie empfohlen zu einem steuerrechtlich versierten Berater, weil sie nicht zusätzliche Beratungsgebühren ausgeben wollen, sondern wählen allein aufgrund der zivilrechtlichen Beratung ihre favorisierte Variante B. Der Anwalt entwirft wiederum die Scheidungsfolgenvereinbarung inklusive Grundstücksaufteilung. Die Eheleute gehen zum Notar, hier verläuft alles wie vorher; der Notar weist daraufhin, dass er nicht steuerrechtlich prüft. Die Eheleute zucken nur mit den Schultern oder sagen, dass sie keine steuerrechtliche Beratung benötigen. Der Notar kann es dabei bewenden lassen, mit dem Hinweis hat er seine Schuldigkeit getan. Die Beurkundungen erfolgen.
Nach der Scheidung kommt es zum Streit, die jetzt Ex-Eheleute, nun natürlich jeder separat anwaltlich vertreten, bekommen die Information, dass man die Vermögensauseinandersetzung ja steuerlich viel günstiger hätte gestalten können. Es werden Regressansprüche gegen den Anwalt und gegen den Notar gerichtet. Der Notar ist ziemlich schnell „aus dem Schneider“: Er kann gemäß § 19 Abs. 1, S. 3 BNotO in Verbindung mit § 839 Abs. 3 BGB auf die Subsidiarität seiner Haftung verweisen, die grundsätzlich dann greift, wenn vorrangig ein anderer Berater in Anspruch genommen werden kann. Außerdem steht der Hinweis auf die nicht erfolgte steuerrechtliche Betrachtung seitens des Notars in den Urkunden selbst drin!
Damit hängt es nun am Anwalt. Der Anwalt hatte gesagt, dass er steuerrechtlich nicht beraten kann. Die Ratsuchenden waren leider unvernünftig und holten keine speziell steuerrechtliche Beratung ein. Mandanten dürfen unvernünftig sein. Der Berater sollte allerdings mit solcher Unvernunft rechnen. Daher sollte er unbedingt solche Hinweise schriftlich erteilen, nicht nur mündlich, um später bei Bedarf den Nachweis führen zu können. Denn wenn der Mandatsvertrag die steuerrechtliche Beratung nicht ausnahmsweise von vornherein aus dem Mandat ausnimmt, hat der Anwalt ein umfassendes Mandat, völlig egal, ob er sich in allen notwendigen Rechtsgebieten überhaupt auskennt oder nicht. Sofern er also beweisen kann, dass er darauf hingewiesen hatte, dass er steuerrechtlich nicht berät und die Mandanten speziellen Rat einholen mögen, ist auch der Anwalt „aus dem Schneider“.
Wen trifft es nun? Es bleiben nur noch die Mandanten selbst übrig! Diese haben leider an der falschen Stelle gespart. Das ist der Preis dafür, dass Mandanten ein Recht auf Unvernunft haben.