„Irren ist menschlich.“ „Wo gehobelt wird, da fallen Späne.“ Oder auch: „Menschen machen Fehler.“ Die Tatsache, dass der Mensch kein rundum perfektes Wesen ist, sondern – mehr oder weniger häufig – falsche Entscheidungen trifft oder unrichtige Ansichten vertritt ist mittlerweile in unserer Gesellschaft durchaus akzeptiert. Was hingegen in diesem Zusammenhang oftmals vergessen wird ist, dass auch beim allerbesten und fähigsten Juristen unter all seinen Titeln, Auszeichnungen und Qualifikationen am Ende doch „nur“ ein Mensch steckt.
Für viele Anwältinnen und Anwälte ist es nach wie vor ein Tabu, über eigene Fehler und Unzulänglichkeiten zu sprechen und sich diese auch selbst einzugestehen. Dies hängt einerseits mit dem hohen Anspruch zusammen, welche die Gesellschaft und nicht zuletzt auch jeder Berufsträger selbst an sich und seine Arbeit stellt: Den Mandanten möglichst eingehend und umfassend zu beraten und ihm – soweit dies im Rahmen der gesetzlichen Gegebenheiten möglich ist – so schnell es geht „zu seinem Recht“ zu verhelfen.
Hinzu kommt die Angst davor, dass auch ein noch so kleiner und auf den ersten Blick unbedeutender Fehler, der einem Rechtsanwalt bei der Beratung oder Vertretung eines Mandanten unterläuft, im Einzelfall dazu geeignet ist schwerwiegende und möglicherweise irreparable Folgen mit sich zu bringen. Diese ex ante oftmals unabwägbare Haftungsgefahr kann dazu verleiten, einen einmal wahrgenommenen eigenen „Fehler“ bewusst übersehen oder gar aktiv zu verheimlichen zu wollen.
Die Erkenntnis und der anschließende konstruktive Umgang mit einem potentiellen Beratungsfehler wirken sich jedoch meist positiv auf dessen Folgen aus. Auch sollte sich die anwaltliche Beraterin oder der Berater stets ins Bewusstsein rufen, dass er (genau für solche Fälle) eine Berufshaftpflichtversicherung unterhält und diese dazu abgeschlossen wurde, um ihm in potentiellen Haftungsfällen mit Rat und Tat zur Seite zu stehen.
Von den Ressourcen und dem Knowhow seines Versicherers im Umgang mit derartigen Schadenfällen kann der Rechtsanwalt jedoch nur dann profitieren, wenn er diesen rechtzeitig und umfassend über alle relevanten Tatsachen in Kenntnis setzt und das weitere Vorgehen mit der zuständigen Fachabteilung abstimmt.
I. WAS melden? – Worin ist ein Schadenfall zu sehen?
Die erste Frage ist in welchen Konstellationen beziehungsweise unter welchen Voraussetzungen ein potentieller eigener Fehler überhaupt dem Versicherer gemeldet werden sollte. Nach den Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Berufshaftpflichtversicherungen für Rechtsanwälte liegt ein Versicherungsfall vor, wenn ein sogenannten Verstoß gegeben ist, welcher Haftpflichtansprüche gegen den Versicherungsnehmer zur Folge haben könnte.
Ein potentieller Schadenersatzanspruch gegen einen Rechtsanwalt als Berufsträger entsteht grundsätzlich dann, wenn kumulativ folgende Voraussetzungen gegeben sind: Nämlich wenn er im Rahmen eines Mandatsverhältnisses (= Schuldverhältnis) fehlerhaft oder unzureichend beraten hat (= Pflichtverletzung) und dem Mandanten kausal durch die Beratung verursacht ein Schaden entstanden ist. Für das Vorliegen aller Voraussetzungen trägt hierbei der Mandant die Darlegungs- und Beweislast.
II. WANN melden? – Die „Rechtzeitige“ Meldung
Hat man die erste Hürde genommen und einen potentiellen Beratungsfehler erkannt, stellt sich meist unmittelbar die nächste Frage: Wann, also zu welchem Zeitpunkt sollte der potentielle Schaden dem eigenen Berufshaftpflichtversicherer angezeigt werden, um mögliche daraus resultierende Schäden und potentielle Schadenersatzansprüche noch verhindern oder eindämmen zu können.