Sorgerechtsstreit

Anwalt des Kindes muss kein Anwalt sein

Streiten sich Eltern über den Umgang mit den Kindern, reicht ein Verfahrensbeistand, um die Interessen des Kindes zu vertreten, es muss kein Anwalt sein.

Der BGH sieht in Kindschaftsverfahren lieber den „neutralen“ Verfahrensbeistand an der Seite des Kindes als den Rechtsanwalt. So könnte man die Entscheidung des Familiensenats des BGH überspitzt zusammenfassen.

Er hat entschieden, dass im Kindschaftsverfahren das Kindeswohl eine eigenständige Beauftragung eines Rechtsanwalts für das Kind nicht erfordert, wenn vom Familiengericht bereits ein Verfahrensbeistand bestellt worden ist und dieser aufgrund der ihm zustehenden Befugnisse in der Lage ist, die Rechte und Interessen des Kindes geltend zu machen (BGH, AnwBl Online 2018, 745).

Im konkreten Fall kommt der BGH sogar zu dem Ergebnis, dass die Hinzuziehung eines Anwalts dem Kindeswohl eher zuwiderlaufen könne. Eine wenig erfreuliche Entscheidung – für die im Familienrecht tätigen Anwälte und erst recht für die betroffenen Kinder. Denn der sogenannte „Anwalt des Kindes“ kann die Rechte der Kinder schon aufgrund fehlender rechtlicher Qualifikation nicht wie eine Rechtsanwältin oder ein Rechtsanwalt durchsetzen.

Sorgerechtsstreit - worum ging es?

Die gemeinsam sorgeberechtigten Eltern stritten um das Umgangsrecht hinsichtlich ihrer Kinder. Für diese hatte das Familiengericht einen Verfahrensbeistand bestellt. Dem Vater genügte das nicht. Er wollte vielmehr einen Rechtsanwalt an ihrer Seite wissen. Die Mutter lehnte das ab. Damit er den Anwalt beauftragen könne, hatte er beantragt, ihm die alleinige Entscheidungsbefugnis in diesem Punkt zu übertragen. Ohne Erfolg. 

Zwar seien die Eltern grundsätzlich befugt, im Namen des Kindes einen Anwalt zu dessen Vertretung im Kindschaftsverfahren zu beauftragen, bestehe aber darüber zwischen den Eltern eine Meinungsverschiedenheit, entscheide das Familiengericht nach § 1628 BGB darüber. Bei dieser Frage habe sich das Familiengericht am Kindeswohl zu orientieren, betont der Familiensenat des BGH.

Anwalt nicht nötig

Sei für das Kind bereits ein Verfahrensbeistand bestellt worden und dieser aufgrund der ihm zustehenden Befugnisse in der Lage, die Rechte und Interessen des Kindes geltend zu machen, bedürfe es jedoch keiner Beauftragung eines Anwalts mehr. Nur in dem Ausnahmefall einer notwendigen gesetzlichen Vertretung des Kindes sei der Verfahrensbeistand nicht ausreichend, weil er nicht gesetzlicher Vertreter sei  (§ 158 Abs. 4 Satz 6 FamFG).

Der Bundesgerichtshof betont, dass dieser gesetzlichen Regelung kein Vorrang eines – noch zu beauftragenden – Anwalts vor der Bestellung eines Verfahrensbeistands zu entnehmen sei. Vielmehr liege es im vorliegenden Fall gerade aufgrund des offenkundigen Interessenkonflikts zwischen den Eltern nahe, es bei der bestehenden Lage zu belassen. Die Übertragung der entsprechenden Entscheidungsbefugnis auf einen Elternteil könne dagegen sogar dazu führen, dass dieser Elternteil die Interessen des Kindes gegenüber dem Anwalt und auch eine entsprechende Weisungsbefugnis wahrnehmen könnte, argumentiert der BGH. Damit würde dieser Elternteil seine Vorstellungen im Verfahren letztlich ohne Gewinn für das Kindeswohl zweifach einbringen. Dadurch könne zugleich die Tätigkeit des neutralen und vom Gericht ausgewählten Verfahrensbeistands unterbunden werden. Fazit des BGH: Dies könne sogar einer am Kindeswohl orientierten Wahrnehmung der Kindesinteressen im Verfahren eher zuwiderlaufen.

Verfahrensbeistand kann jeder?

Die Entscheidung ist wenig erfreulich – nicht nur für die im Familienrecht tätigen Anwälte, sondern erst recht für die betroffenen Kinder. Verfahrensbeistände werden zwar gerne – auch vom BGH in der Entscheidung – als „Anwalt des Kindes“ bezeichnet, können die Rechte der Kinder aber nicht immer gleichermaßen wahrnehmen und durchsetzen wie der Rechtsanwalt. Der Gesetzgeber hat keine Anforderungen an die Qualifikation des berufsmäßigen Verfahrensbeistands gestellt. Es handelt sich daher nicht notwendigerweise um Anwälte. Vielfach arbeiten in diesem Bereich auch Sozialpädagogen, Pädagogen, Mediatoren, Erzieher oder Psychologen mit ganz anderen fachlichen Qualifikationen. Dem Familiengericht bleibt es dann überlassen, eine geeignete Person auszuwählen.

Auch dass der BGH vom „neutralen“ Verfahrensbeistand spricht, verwundert. Er soll parteiisch für das Kind sein und keineswegs neutral. Auch eine Anwältin oder ein Anwalt hätte sich allein an den Interessen des Kindes zu orientieren. Daran ändert die Beauftragung durch ein Elternteil nichts.