200 Gäste aus Politik, Bundesministerien, Verbänden, Justiz und Anwaltschaft kamen Anfang Januar 2016 zum Neujahrsempfang des DAV. In Anlehnung an das Motto des kommenden Anwaltstages im Juni 2016 in Berlin stand der Auftakt unter dem Motto: „Wenn das Strafrecht alles richten soll...“. Die Frage, wie rechtspolitisch auf gesellschaftliche Entwicklungen und aktuelle Situationen zu reagieren ist, war dann auf dem Auftakt auch bestimmendes Thema.
Rechtspolitik verlangt kühlen Kopf
In seiner Ansprache machte DAV-Präsident Ulrich Schellenberg deutlich: Gerade die terroristische Bedrohungslage erfordere große rechtsstaatliche Besonnenheit. „Niemand kann mehr sicher sein. Nicht in Paris. Aber auch nicht in München oder Berlin – und gerade deshalb brauchen wir einen kühlen Kopf“, sagte Schellenberg.
„Wir alle wissen, dass es eine absolute Sicherheit nicht gibt, aber dann sollten wir auch nicht versuchen, sie zu erreichen. Das Recht und mithin auch unsere Grund- und Freiheitsrechte müssen sich gerade dann bewähren, wenn der öffentliche und politische Druck schier übermächtig wird“, sagte Schellenberg. Dies gelte auch für den Umgang mit den Übergriffen auf Frauen in der Silvesternacht in Köln. Die rechtsstaatliche Aufarbeitung dieser Vorfälle sei zeitaufwändig, schwierig und langatmig, was für die politische Kommunikation und Reaktion wohl nicht ausreichend genug sei. Schellenberg mahnte die Regierungsparteien, nicht in einen Wettbewerb um die härtesten Gesetzesverschärfungen zu treten, sondern stattdessen für eine bessere Gesetzesanwendung zu sorgen.
Regierung: Gesetzeslücken schließen
Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesjustizministerium Christian Lange, der den kurzfristig verhinderten Bundesjustizminister vertrat, unterstützte die Absage an einen „strafrechtlichen Überbietungswettbewerb der Politik“, hob aber hervor, dass es Schutzlücken gebe, die es auszufüllen gelte. So habe man sich schon im letzten Jahr daran gemacht, Lücken im Sexual- und im Korruptionsstrafrecht zu schließen. Die vom DAV angestoßene Überarbeitung des Mordparagrafen werde demnächst in einem Gesetzentwurf münden.
Die Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Recht und Verbraucherschutz Renate Künast gab einen Ausblick auf die Themen ihres Ausschusses für 2016. Neben einer Befassung mit dem Sexualstrafrecht und dem Mordparagrafen werde es eine StPO-Reform geben, die „diesen Namen dann hoffentlich auch verdient“. Bei anderen anstehenden Projekten wie dem Urhebervertragsrecht und der Umsetzung der Datenschutzgrundverordnung werde der Rechtsausschuss mitberatend tätig sein.
„beA“: Zeit nutzen
Von den großen Herausforderungen der Rechtspolitik ging es dann noch einmal zu den technischen und rechtlichen Herausforderungen des „beA“. Eigentlich hätte dieses „besondere Elektronische Anwaltspostfach“ zum 1. Januar 2016 in Betrieb gehen sollen. Die Bundesrechtsanwaltskammer hatte den Start kurzfristig absagen müssen und ihn auf zunächst unbestimmte Zeit verschoben. DAV-Präsident Schellenberg stellte gegenüber den Anwesenden noch einmal klar, dass der DAV die Einführung des elektronischen Postfaches unterstütze. Wichtig sei aber, dass die Zeit nun gut genutzt werde, um daran zu arbeiten, dass das „beA“ sowohl rechtlich als auch praktisch gut und zuverlässig zu handhaben sei.