Text: Rechtsanwalt Dr. Nicolas Lührig, Berlin
Frankfurt am Main, Düsseldorf oder München sind attraktive Städte. Attraktiv sind dort auch die Einstiegsgehälter für junge Anwälte: Mehr als 100.000 Euro pro Jahr sind für junge Bank- und Kapitalmarktrechtler drin. Und was machen die tausenden Absolventen des zweiten Staatsexamens, die Anwalt werden, aber keine zwei Prädikatsexamen haben, mehr schlecht als recht englisch sprechen und keinen LL.M. oder Doktor mitbringen? Sie sollten einmal in die Provinz schauen. Verden an der Aller, Bayreuth oder Koblenz gehören zu den mehr als 110 Städten in Deutschland mit einem Landgericht. Und in allen diesen Städten gibt es regional verwurzelte Kanzleien. Mit drei bis zehn Partnern sind sie die Platzhirsche am Ort. Die erfolgreichen Sozietäten unter ihnen verteidigen ihre Stellung in der Region – und suchen Nachwuchs. Rund 25 Prozent der regionalen Topkanzleien stellen 2008 ein und immerhin noch 18 Prozent planen bereits jetzt für 2009 Einstellungen.
Der Trend zur Spezialisierung ist zwar ungebrochen: Auch in den regionalen Topkanzleien macht ein Partner das Arbeitsrecht, einer das Familienrecht, einer das Verkehrs- und Versicherungsrecht und einer das Handels- und Gesellschaftsrecht. Aber als Kollektiv können diese kleinen Einheiten – jenseits der ganz großen Mandate – durchaus regional erfolgreich sein. Die ausgewiesenen Spezialisten sind dagegen deutlich zurückhaltender bei der Nachwuchssuche: Bei den Bank- und Kapitalmarktrechtlern stellen 2008 nur sieben Prozent Nachwuchs ein – und auch für 2009 sind die mittelständischen Kanzleien in diesem Rechtsgebiet nicht optimistischer. Ausnahme: Die Großkanzleien. Fast alle wissen bereits heute, dass sie wachsen wollen. Baker & McKenzie und Linklaters suchen 2009 gleich 15 Anwältinnen und Anwälte, denn gerade auch in der Krise werden Anwälte gebraucht.
Sonderrolle Strafrecht
Eine Sonderrolle nimmt in diesem Gehälterreport das Strafrecht ein. Obwohl die auf das Wirtschaftsstrafrecht spezialisierten Strafrechtsboutiquen durchaus junge Spitzenanwälte suchen, ist das Ergebnis der Umfrage ernüchternd: 2008 hat keine der befragten Kanzleien eingestellt – und auch für 2009 sieht es nicht viel besser aus. Der Grund: An der Umfrage haben sich vor allem Kanzleien beteiligt, die von Verteidigungen in Betäubungsmitteldelikten, Kapitaldelikten, Verkehrssachen oder Jugendstrafrecht leben. Und da lässt die Ertragslage zu wünschen übrig. Die Gründe sind vielfältig: Fast alle Kanzleien machen Pflichtverteidigungen. Auch die anderen Mandate werden überwiegend auf der Basis des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) abgerechnet und das honoriert schlecht, vor allem die Tätigkeit im Ermittlungsverfahren (Höchstgebühr 550 Euro, mit Haftzuschlag 687,50 Euro) und in Revisionsverfahren (Höchstgebühr 930,mitHaftzuschlag 1162,50).
Was erwarten die Kanzleien?
Bei den Einstellungsvoraussetzungen spielt das Strafrecht dann aber keine Sonderrolle mehr: Für rund 60 Prozent der befragten Kanzleien ist zumindest ein Prädikatsexamen wichtig oder sehr wichtig und immerhin 30 Prozent finden auch zwei Prädikatsexamen wichtig oder sehr wichtig. Das sind ähnliche Werte wie bei den Bank- und Kapitalmarktrechtlern. Deutlich anspruchsvoller sind nur die regionalen Topkanzleien: Mehr als 80 Prozent der befragten Kanzleien erwarten zumindest ein Prädikatsexamen und für fast 65 Prozent sind zwei Prädikatsexamen wichtig oder sehr wichtig. Ein Seniorpartner sagt dazu: „Wir wollen nicht wachsen um jeden Preis, sondern uns verstärken.“ Deshalb suchen die regionalen Topkanzleien auch zu mehr als 90 Prozent zukünftige Partner – und fast 60 Prozent der Kanzleien wollen ihren Nachwuchs innerhalb von fünf Jahren zu Partnern machen. Solche Partneraussichten werden nur noch selten geboten. Dafür erwarten aber 70 Prozent der befragten Kanzleien, dass ihr Anwalt am Standort wohnt. Aus der Region muss er aber nicht stammen. Nur für sechs Prozent ist das eine zwingende Voraussetzung.
Auf die Noten kommt es längst nicht mehr alleine an: Bei den Strafrechtlern finden bereits fast 45 Prozent der befragten Kanzleien einen abgeschlossenen Fachanwaltslehrgang wichtig und 55 Prozent schätzen eine einschlägige Station im Referendariat: „Strafrecht kann Kampf sein, man muss bewiesen haben, dass das einem liegt“, sagt ein gestandener Strafverteidiger. Auch die Bank- und Kapitalmarktrechtler wollen sehen, dass ein Bewerber das Rechtsgebiet kennt: Eine Lehre als Bankkaufmann schätzen 30 Prozent der befragten Kanzleien als wichtig ein. Eine einschlägige Station im Referendariat sogar 58 Prozent. Wiederum auffällig: Sprachkenntnisse sind inzwischen wichtiger als ein Doktortitel. Selbst bei den regionalen Topkanzleien finden nur 24 Prozent den Titel wichtig und gar nur noch 6 Prozent sehr wichtig. Am ehesten bringt der Titel noch etwas bei den Bank- und Kapitalmarktrechtlern (für fast 40 Prozent ist er wichtig).
Was bringt mehr Gehalt?
Beim Gehalt zeigt der vierte Einstellungs- und Gehälterreport einen neuen Trend: Die Bank- und Kapitalmarktrechtler bestimmen das Einstiegsgehalt eher individuell. Den Doktortitel honorieren 38,5 Prozent mit einem Aufschlag, höhere Einstiegsgehälter werden aber auch für Prädikatsexamen, Auslandserfahrung, LL.M oder einen abgeschlossenen Fachanwaltslehrgang gezahlt. Bei den regionalen Topkanzleien bringt dagegen nur der Doktortitel (37,5 Prozent) und ein abgeschlossener Fachanwaltslehrgang (31,3 Prozent) einen Aufschlag. Die restlichen Qualifikationen werden schlicht erwartet. Und bei den Strafrechtlern honorieren immerhin noch 25 Prozent der befragten Kanzleien einen abgeschlossenen Fachlehrgang. Ein dickes Plus beim Gehalt kann letztlich nur konkrete Berufserfahrung bringen. „Wer von Anfang an als vollwertiger Anwalt eingesetzt werden kann, bekommt mehr“, erläutert ein Partner aus einer rheinischen Landgerichtsstadt. Die Beschäftigung eines angestellten Anwalts ist immer auch eine unternehmerische Entscheidung. Am Ende darf die Sozietät nicht drauf zahlen.