Nein, das Strafrecht sollte nicht alles richten. Weniger Strafrecht wagen! So könnte stark vereinfacht die Botschaft lauten, die vom diesjährigen Deutschen Anwaltstag ausging. Dass das Strafrecht das Recht gleichwohl durchzieht und in der Praxis in jedem Rechtsgebiet zu berücksichtigen ist, wurde auf den zahlreichen Fortbildungsveranstaltungen des Anwaltstages fachbezogen aufgearbeitet. Ob im Arbeitsrecht, Baurecht, Umweltrecht, Insolvenzrecht, Gesellschaftsrecht oder im Erbrecht – um nur einige behandelte Felder zu nennen – die Vielfalt der strafrechtlichen Implikationen wurde sehr praxisnah dargelegt und diskutiert.
Auf dem Anwaltstag gab es daneben eine Vielzahl weiterer Fachveranstaltungen, die gänzlich ohne strafrechtliche Bezüge auskamen und auf aktuelle Fragen eingingen: Ob neueste Entwicklungen im Mietrecht, Reformbestrebungen im Familienrecht oder das Thema Legal Tech: Die Teilnehmer konnten sich über aktuelle Entwicklungen nicht nur informieren sondern, unterstützt durch mehrere neue Veranstaltungsformate, auch aktiv mitdiskutieren. Neuerungen rund um den Betrieb der Anwaltskanzlei waren in diesem Jahr besser denn je auf der begleitenden Fachmesse „AdvoTec“ erlebbar.
Auf rekordverdächtigen 900 Quadratmetern Ausstellungsfläche zeigten mehr als 60 Aussteller aktuelle Produkte und Dienstleistungen rund um den Anwaltsmarkt. Ein bestimmendes Thema auf der „AdvoTec“ war nicht nur das „beA“, sondern die Digitalisierung von Rechtsdienstleistungen insgesamt. Ein Thema, das in den künftigen Jahren auf dem Anwaltstag noch mehr Geltung beanspruchen wird.
Strafrecht ist das billigstes Mittel
Bei aller fachlichen Themenvielfalt: Das rechtspolitische Kernthema blieb ein strafrechtsbezogenes. Beflügelt durch die politische Relevanz und begünstigt durch die Standortnähe des Anwaltstages (Berlin) fanden sich in diesem Jahr besonders viele Bundespolitiker ein, um ihre Sicht der Dinge mit der Anwaltschaft zu diskutieren. So setzten sich auf einer Schwerpunktveranstaltung die rechtspolitischen Sprecher der Bundestagsfraktionen mit dem Motto des Anwaltstages und dem mitdiskutierenden Publikum auseinander (AnwBl 2016, 572), kam DFB-Präsident Reinhard Grindel in seiner Eigenschaft als Bundestagsabgeordneter, um über die Integrität des Sportes zu diskutieren (AnwBl 2016, 575) und gab Bundesjustizminister Maas seine Sicht der Dinge in der sehr gut besuchten Eröffnungsveranstaltung wieder (AnwBl 2016, 546). Ihnen trat DAV-Präsident Ulrich Schellenberg auf der Eröffnungsveranstaltung mit klaren Aussagen gegenüber und machte deutlich: Das Strafrecht durchzieht meist unnötig das Recht. Der Ultima Ratio Gedanke wird zu häufig vernachlässigt. Es gibt meist mildere, effizientere, aber nicht immer kostengünstigere Mittel.
„Was bringen neue Ermittlungskompetenzen, wenn die Kräfte fehlen, die schon vorhandenen sinnvoll zu nutzen?“ fragte Schellenberg unter dem Applaus der Teilnehmer (AnwBl 2016, 543). Ob der Anwaltstag geholfen hat, bei der Politik die Erkenntnis reifen zu lassen, gesetzgeberisch künftig weniger Strafrecht zu wagen, bleibt zu hoffen. Es bleibt aber fraglich. Denn wie ein Anwalt in einer Podiumsdiskussion treffend feststellte: Das Strafrecht ist für den Gesetzgeber nun einmal das billigste Mittel.
Weitere Impressionen vom 67. Deutschen Anwaltstag finden Sie auch unter www.anwaltstag.de.