Der kanadische Premierminister Justin Trudeau forderte im Januar 2018 auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos dazu auf, mehr Frauen zu beschäftigen. Nicht weil es richtig oder nett, sondern „weil es einfach clever“ sei. Repräsentation, Gleichbehandlung und Antidiskriminierung sind Gerechtigkeitsfragen. Es sind aber – nicht zuletzt auf dem anwaltlichen Markt – ebenfalls wirtschaftliche Fragen. Im Kampf um die besten Köpfe konkurrieren Kanzleien zunehmend um leistungsstarke Frauen. Und auch am Markt sind Veränderungen zu beobachten.
Mandantinnen, die sich einem rein männlich besetzten oder geführten Team gegenübersehen, werden sich für die Konkurrenz entscheiden. Bereits jetzt gibt es Unternehmen, die Auftragsvergaben von bestimmten Quoten abhängig machen. Wie Kanz leien mit diesen Herausforderungen umgehen, entscheidet über ihre wirtschaftliche Zukunft. Drei Aspekte sind für die Zukunftsfähigkeit von Kanzleien in dieser Frage entscheidend: Kultur, Prozesse und Vereinbarkeit von Privatleben und Beruf für alle Geschlechter.
Eine Unternehmenskultur, in der Männer überwiegen und nahezu alle Machtpositionen innehaben, wird aussterben. Führungskräfte müssen diese Herausforderung erkennen und eine Strategie für den Wandel entwickeln. Ein Bekenntnis zu Vielfalt, Wertschätzung und Offenheit für Verschiedenheit setzt sich nicht von selbst um, es muss auf der Führungsebene überzeugend gelebt werden. Das erfordert auch, liebgewordene und scheinbar bewährte Auswahlkriterien zu überdenken (wie zum Beispiel die unausgesprochene Frage beim Bewerbungsgespräch: „Würde ich mit der Person gern ein Bier trinken gehen?“). Es geht dabei um den sogenannten „unconscious bias“ – also unterbewusste Vorurteile, die jeder Mensch hat und die es zu hinterfragen gilt. Potenziale im Team müssen gezielt und langfristig gefördert werden, Karrierechancen und -sprungbretter Frauen und Männern gleichermaßen zur Verfügung stehen. Das ist auch eine Frage der Prozesse, die selbst in größeren Kanzleien nicht transparent genug sind. Nicht immer wird aber Diversity als wirtschaftlicher Vorteil gesehen oder werden die Nachteile erkannt, die es hat, wenn qualifizierte Frauen auf dem Weg zur Partnerschaft aus der Kanzlei ausscheiden.
Schließlich gilt es, die Gretchenfrage nach der Vereinbarkeit von Privatleben und Beruf zu stellen. Hier sehen viele Kanzleien den geringsten Handlungsspielraum. Solange Mandantinnen und Mandanten die 24-Stunden-Erreichbarkeit verlangen, kann sich hier nichts ändern, höre ich häufig als Argument. Anwältinnen und Anwälte, die wirtschaftlich Verantwortung für die Zukunft der Kanzlei übernehmen wollen, legen ohnehin einen starken Schwerpunkt ihres Lebens auf ihre Berufstätigkeit. Die Frage ist aber, ob Leistung und Anwesenheitszeiten immer gleichgesetzt werden können. Vielleicht lohnt sich die Diskussion über die Frage, welche Formen der Arbeitsorganisation und -arbeitszeit und welche Freiräume für alle Geschlechter in der Kanzlei einen Mehrwert an Kreativität und Lebensqualität bewirken würden, der auch im wirtschaftlichen Interesse sein kann.
Im März hat der BGH darüber entschieden, ob die Sparkasse Saarbrücken Kundinnen als solche bezeichnen muss oder sie in standardisierten Formularen sozusagen „mitmeinen“ darf, wenn vom „Kunden“ oder „Sparer“ die Rede ist. Das Landgericht Saarbrücken hatte der Klägerin in der Vorinstanz mitgeteilt, mit der männlichen Ansprache seien Frauen seit 2000 Jahren mit angesprochen. Der BGH zog sich aus der Affäre, in dem er subjektive Rechte verneint und darauf verweist, dass in individuellen Schreiben immerhin die Anrede „Frau …“ verwendet werde. Seit 1958 dürfen Frauen im eigenen Namen Konten eröffnen. Jedenfalls erstaunt es, dass die Sparkasse es im Jahr 2018 auf einen solchen Prozess ankommen ließ. Denn die Zukunft ist weiblich. Organisationen müssen einen Plan haben, wie „mitmeinen“ zu Mitmachen wird. Meine Überzeugung ist: Es lohnt sich.