Der Anwaltssenat des Bundesgerichtshofs hat in seiner aktuellen Syndikus-Entscheidung zunächst noch einmal bekräftigt, dass ein Syndikusrechtsanwalt grundsätzlich auch im öffentlichen Dienst tätig sein könne (Bundesgerichtshof, Urteil vom 14. Januar 2019 – AnwZ (Brfg) 25/18, AnwBl Online 2019, 247). Diese Grundsatzfrage hatte er bereits im Oktober 2018 geklärt (Bundesgerichtshof, Urteile vom 15. Oktober 2018 – AnwZ (Brfg) 68/17, AnwBl Online 2018, 1039 und AnwZ (Brfg) 20/18, AnwBl Online 2018, 1027) und danach in dem Fall eines beim Zweiten Deutschen Fernsehen (ZDF) tätigen Anwalts bekräftigt (Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13. November 2018 – AnwZ (Brfg) 35/18, AnwBl Online 2019, 121).
Syndikusrechtsanwalt kann im öffentlichen Dienst tätig sein
Der Versagungsgrund des § 7 Nr. 8 BRAO gelte auch im Recht der Syndikusrechtsanwälte wie der Bundesgerichtshof auch in seiner aktuellen Entscheidung darlegt. Die durch die bisherige Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zu § 7 Nr. 8 BRAO zum Zweitberuf des Rechtsanwalts lassen sich aber auf die Zulassung eines Syndikusrechtsanwalts nicht ohne Weiteres übertragen. Die Tätigkeit eines Syndikusrechtsanwalts lasse sich also nicht von seinem Arbeitsverhältnis trennen. Sie betreffe gerade die anwaltliche Beratung des Arbeitgebers im Rahmen dieses Arbeitsverhältnisses. Es gehe insoweit nicht um einen Zweitberuf. Der im öffentlichen Dienst tätige Syndikusrechtsanwalt sei – auch in den Augen der Öffentlichkeit – nicht von seinem Arbeitgeber unabhängig. Trete er – etwa bei Vertragsverhandlungen oder im Rahmen einer Prozessvertretung – für seinen Arbeitgeber auf, werde er als Repräsentant der Behörde wahrgenommen. Bei den Rechtsuchenden könne nicht der Eindruck entstehen, dieser könne wegen seiner „Staatsnähe“ mehr für seine Mandanten bewirken als andere Rechtsanwälte. Denn einziger Mandant des Syndikusrechtsanwalts sei sein Arbeitgeber. Dieser Umstand sei für die Öffentlichkeit und den Rechtsverkehr aufgrund der Berufsbezeichnung „Rechtsanwalt (Syndikusrechtsanwalt)“ ohne weiteres ersichtlich.
AGH Hamm: Alleinvertetungsbefugnis ist notwendig …
Die beigeladene Anwältin in dem vorliegenden Verfahren war beim Westdeutschen Rundfunk (WDR) als „Abteilungsleiterin Personalstrategie und -controlling“ im Anstellungsverhältnis tätig. Im Dezember 2016 hatte sie die Anwaltskammer als Syndikusrechtsanwältin zugelassen. Die Deutsche Rentenversicherung (Bund) war gegen die Zulassung. So auch der Anwaltsgerichthof Hamm, der ihrer Klage stattgab (Anwaltsgerichthof Hamm, Urteil vom 15. März 2018 – 1 AGH 6/17, abrufbar unter www.justiz.nrw). Die Beigeladene verfüge nicht über die erforderliche Befugnis, für ihren Arbeitgeber nach außen verantwortlich aufzutreten (§ 46 Abs. 3 Nr. 4 BRAO). Insoweit sei eine Einzelvertretungsbefugnis im Außenverhältnis notwendig. Die von der Beigeladenen vorgelegte Vollmacht ermächtige sie als Bevollmächtigte für den Aufgabenbereich HA Personal aber nur dazu, einschlägige Verpflichtungserklärungen gemeinsam mit einer/einem Hauptbevollmächtigten oder Bevollmächtigten des WDR abzugeben.
BGH: … nein, ist sie nicht
Der Bundesgerichtshof lehnte diese Sichtweise ganz klar ab. Die erforderliche Befugnis, nach außen verantwortlich aufzutreten habe vorgelegen. Hierfür sei keine Alleinvertretungsbefugnis des Syndikusrechtsanwalts im Rahmen seiner anwaltlichen Tätigkeit für seinen Arbeitgeber nötig. Schon der Wortlaut des § 46 Abs. 3 Nr. 4 BRAO spreche nicht von einer Alleinvertretungsbefugnis, sondern nur von der Befugnis, nach außen verantwortlich aufzutreten. Die Vollmacht der beigeladenen Anwältin in dem Fall hält der Anwaltssenat für völlig ausreichend. Auch aus der Entstehungsgeschichte der Norm ließen sich strengere Maßstäbe nicht ableiten. Die Forderung nach einer Alleinvertretungsbefugnis würde auch dazu führen, dass die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt nur einem sehr begrenzten Personenkreis offenstehen würde, so der Anwaltssenat weiter. In Unternehmen sei es aus Compliance-Gründen beziehungsweise zur Wahrung des sogenannten Vier-Augenprinzips nicht unüblich vorzusehen, dass eine zweite Unterschrift im Außenverhältnis nötig sei. Anwaltliche Mitarbeiter wären dort von der Zulassung als Syndikusrechtsanwalt regelmäßig ausgeschlossen. Eine solche Begrenzung des Zugangs wäre aber mit den Zielen des Gesetzgebers schwerlich vereinbar.
BGH lässt offen: Mehr als 50 Prozent prägend?
Der Bundesgerichtshof prüfte sodann, ob das Arbeitsverhältnis der Beigeladenen auch durch die in § 46 Abs. 3 Nr. 1 bis 4 BRAO bezeichneten Tätigkeiten geprägt sei. Die Deutsche Rentenversicherung hatte dies bezweifelt. Auch in dieser Entscheidung ließ der Anwaltssenat des Bundesgerichtshofs die umstrittene Frage jedoch offen, ob es für die Annahme einer solchen Prägung ausreiche, wenn der Arbeitnehmer die in § 46 Abs. 3 Nr. 1 bis 4 BRAO aufgeführten Tätigkeiten zu mehr als 50 Prozent seiner für den Arbeitgeber insgesamt geleisteten Arbeitszeit ausübe, das heißt die anwaltliche Tätigkeit die nicht-anwaltliche Tätigkeit – wenn auch nur minimal – übersteige. In dem Fall lag der Anteil der anwaltlichen Tätigkeit an der insgesamt geleisteten Arbeit deutlich über 50 Prozent nämlich bei 60 bis 70 Prozent. Das genügte dem Bundesgerichtshof.
Anwaltliche Tätigkeit ist hochwertige Arbeit
Auf den Einwand der Deutschen Rentenversicherung Bund, bei der Frage der Prägung spielten nicht nur quantitative, sondern auch qualitative Aspekte eine Rolle, antwortete der Bundesgerichtshof: „Anwaltliche Tätigkeit stellt grundsätzlich keine geringwertige Tätigkeit dar, eher im Gegenteil eine hochwertige. Ist das Arbeitsverhältnis bereits quantitativ von der anwaltlichen Tätigkeit geprägt, kann für die qualitative Prägung regelmäßig nichts anderes gelten.“