In der ausführlich begründeten Entscheidung (OLG München, Urteil vom 5. Juni 2019 – 15 U 318/18 Rae, AnwBl Online 2019, 613) hat das Oberlandesgericht München aber auch noch einmal klargestellt, dass ein Anwalt auch bei Schlechterfüllung des Anwaltsdienstvertrages grundsätzlich die ihm geschuldeten Gebühren verlangen könne. Die Verpflichtung des Mandanten entfalle aber, wenn die Belastung mit der Honorarverbindlichkeit Bestandteil des aus einer anwaltlichen Vertragsverletzung resultierenden Schadens sei. Und: Ein Anwalt müsse ungefragt dann über die voraussichtliche Höhe seiner Vergütung belehren, wenn diese das vom Mandanten verfolgte Ziel wirtschaftlich sinnlos mache. Auch die formularmäßige Vereinbarung einer Mindestvergütung in Höhe des Dreifachen der gesetzlichen Vergütung nach RVG hält das OLG München für unwirksam.
Eine Sternstunde für das Vergütungsrecht
Die nachfolgende Bewertung der Entscheidung des 15. Zivilsenats des OLG München vom 05.06.2019 stellt eigentlich weniger eine Urteilsanmerkung als eine nachdrückliche Leseempfehlung an alle Kolleginnen und Kollegen dar, die mit Vergütungsvereinbarungen arbeiten und hierbei Fehler vermeiden wollen.
Mit der umfangreichen und sorgfältigen Urteilsbegründung setzt der 15. Senat die von mir an anderer Stelle schon einmal erwähnte Tradition in bester Weise fort, die unter dem damaligen Vorsitzenden Müller-Rabe begründet wurde und in vielfacher Hinsicht zu einer Klarstellung und richtigen Interpretation von RVG-Vorschriften führte.
Zum einen ist es ausdrücklich zu begrüßen, und dies entspricht der von mir erwähnten Tradition, dass das Gericht die Revision zugelassen hat und damit dem Bundesgerichtshof ein weiteres und hoffentlich ein letztes Mal die Gelegenheit gibt, die wichtigen Fragen zur sogenannten 15-Minuten-Klausel zu beantworten und die Rechtslage zu klären. Als Gebührenrechtler kann man unter den gegebenen Umständen ausnahmsweise nur hoffen, dass der betroffene Anwalt von der Rechtsmittelmöglichkeit auch Gebrauch macht.
Zuletzt hatte sich das Landgericht Köln (LG Köln, BRAK Mitt. 4/2017 m. Anm. Schons) in einem dann rechtskräftig gewordenen Urteil mit dieser Klausel in der Entscheidung vom 18.10.2016 beschäftigt (LG Köln, AnwBl 2017, 560), die aufgrund der überzeugenden Begründung dem Verfasser dieser Zeilen in einer Anmerkung Gelegenheit gegeben hat, von seiner damaligen recht harschen Kritik am damaligen Urteil des OLG Düsseldorf vom 29.06.2006 Abstand zu nehmen (vgl. zunächst OLG Düsseldorf, AGS 2006, 530 ff.; sowie Schons in KammMitt Düsseldorf 2006, 212 ff.).
In der Tat hat sich die seinerzeit geäußerte Hoffnung nicht erfüllt, dass alle Anwälte mit den Möglichkeiten dieser Klausel verantwortungsbewusst und zurückhaltend umgehen werden.
Die Erfahrungen des Senats, wie sie sich in der Rn. 67 wiederfinden, können – leider - nur bestätigt werden und manche Kanzleien nutzen die Klausel in der Tat exzessiv aus, indem sie Tätigkeiten von nur wenigen Sekunden oder wenigen Minuten als volle Viertelstunde abrechnen und hierbei erhebliche Honorare zu generieren verstehen.
Die bisher ergangene Rechtsprechung beispielsweise des OLG Schleswig (OLG Schleswig, AGS 2009, 209 ff., OLG Hamm, AnwBl 2008, 546 ff., 548) oder des OLG Hamm hilft angesichts der Vielzahl der Fälle inzwischen nicht weiter und es überzeugt, wenn der Senat in Rn. 85 der Entscheidung ausführt, dass im Einzelfall die Taktklausel nur noch der Form nach bestehen gelassen wird, aber tatsächlich durchaus generalisierend in die Abrechnungspraxis - meistens zurecht - eingegriffen wird.