Zunächst faszinieren Krach die jüdischen Strafverteidiger in der Weimarer Republik. „Warum war ihr Anteil in der Anwaltschaft so groß, wie haben sie den Antisemitismus erlebt, den es schon in der Weimarer Zeit gab, und was bedeutete das für sie, plötzlich als Nichtarier diskriminiert zu werden?“ Krach taucht ab in Akten und Archivmaterial des Staatsarchivs Preußischer Kulturbesitz und vor seinem inneren Auge werden die Personen wieder lebendig, die den Berufsstand des Anwalts vor rund hundert Jahren prägten. „Da gab es Juristen wie Max Alsberg“, erzählt Krach, „eine schillernde Person des Berliner Lebens“. Alsberg vertrat in aufsehenerregenden Prozessen unter anderem den letzten deutschen Kaiser, Wirtschaftskapitäne und sogar rechtsgerichtete Politiker. Er veröffentlichte vielbeachtete wissenschaftliche Aufsätze, lehrte als Professor an der Universität und schrieb Theaterstücke, die verfilmt wurden. „Und dann zerstörten die Nazis alles, was er hatte“, erzählt Krach, der Alsberg später porträtierte. „Er erlitt im Schweizer Exil einen Zusammenbruch und beging im September 1933 Suizid.“
Krach beginnt schon während des Referendariats eine Promotion mit – wenig überraschend – historischer Ausrichtung. Sein Thema: „Jüdische Rechtsanwälte in Preußen. Über die Bedeutung der freien Advokatur und ihre Zerstörung durch den Nationalsozialismus.“ Nach dem Ende des Referendariats bleibt Krach noch zwei weitere Jahre in Berlin, in denen er sich ausschließlich um seine Doktorarbeit kümmert. „Die Archivarbeit hat mir sehr gefallen, das Studieren alter Akten fasziniert mich bis heute“, sagt Krach, der damals – durchaus geschichtsträchtig – in der Neuköllner Sonnenallee eine Wohnung bezogen hat. Auch wenn er sie heute mit einer wegwerfenden Handbewegung abtut: Natürlich spielt er mit der Idee, das historische Interesse zum Beruf zu machen. Warum nicht an der Universität weiter über den Rechtsanwalt und seine Geschichte forschen?
Doch Krach lehnt ab. Und wird selbst einer von denen, über deren Berufswege er so viel recherchiert. Nach einer kurzen Episode in einer kleinen Kanzlei wird er der dritte Mann in der Sozietät seines Vaters in Mainz. „Mit meinem Eintritt fing mein Vater an, sich aus der Kanzlei zurückzuziehen.“ Krach junior hat da im Verkehrsrecht zwar schon erste Erfahrungen gesammelt, nun wird es zu seinem Schwerpunkt. 2011 geht auch der einstige Partner seines Vaters in den Ruhestand, seither führt Krach die Geschäfte alleine. Seine Mandate stammen aus dem Haftungs- und Schadensersatzrecht, dem Versicherungsrecht, dem Ordnungswidrigkeiten- und Strafrecht bei Verkehrsdelikten. „Die Spezialisierung ist heute mehr denn je überlebenswichtig“, sagt Krach. „Ich bin immer noch der Meinung, dass der Einzelanwalt ein gutes Berufsziel ist, solange man ein gutes inhaltliches Konzept dafür hat.“
Tillmann Krach hat das – und er reichert es an mit dem Selbstbewusstsein, seine Fähigkeiten und Überzeugungen mit ungewöhnlicher Offenheit zu bewerben. Mandanten suchen eine größere Sozietät? „Meine Kanzlei in Mainz bietet eine Alternative sowohl zu Allgemeinanwälten als auch zu den Großkanzleien mit zahlreichen spezialisierten – aber dafür oft wechselnden – Kollegen und Kolleginnen.“ Braucht er nicht Partner? „Ich lasse mich zwar gerne empfehlen, bin aber weder einer Werkstatt oder einer Mietwagenfirma noch einem Gutachter, sondern ausschließlich den Interessen meiner Mandantschaft verpflichtet“. Wessen Perspektive vertritt er lieber? „Zu meiner Auffassung echten Spezialistentums gehört es, dass ich meine Mandate nicht danach auswähle, ob es sich um Täter oder Opfer handelt, sondern allein unter dem Gesichtspunkt, ob ich juristisch helfen kann oder nicht.