Dem Angestellten eines größeren Unternehmens wird gekündigt. Ihm sind aus seiner Tätigkeit Handlungen des Unternehmens bekannt geworden, die nicht nach außen gedrungen sind, aber im Falle der Veröffentlichung ein schlechtes Licht auf das Unternehmen werfen würden. Gekündigt wurde das Anstellungsverhältnis aus Gründen, die nichts mit diesen Vorgängen zu tun haben. Der Anwalt des Angestellten droht dem Unternehmen mit der Veröffentlichung des fraglichen Sachverhalts, um dieses dazu zu bewegen, aus der Kündigung keine Rechte herzuleiten.
Ist die Drohung mit der Veröffentlichung von Interna berufsethisch vertretbar?
Antwort:
Die Drohung, zweifelhafte innerbetriebliche Vorgänge nach außen zu tragen, um persönliche Vorteile für den Mandanten zu erlangen, widerspricht einer anständigen Berufsausübung. Zwar gibt es die weit verbreitete, aber berufsethisch zweifelhafte Ansicht, es sei gerechtfertigt, die Öffentlichkeit für Zwecke des Mandanten einzusetzen (zum Beispiel Mobilisierung der öffentlichen Meinung im Rahmen einer Strafverteidigung, um Druck auf das Gericht auszuüben). Wenn aber ein Anwalt dem Arbeitgeber damit droht, unangenehme Interna offenzulegen, um dem Mandanten zu helfen, reicht dies an „Erpressung“ heran und hat zu unterbleiben. Dies gilt nicht nur, weil der Mandant im Streitfall bei der Beurteilung eines solchen externen Whistleblowings einer nicht voraussehbaren Interessenabwägung ausgesetzt wird (vgl. EGMR, 21. Juli 2011, 28274/08, NJW 2011, 3501), sondern insbesondere, weil es schlicht unanständig ist, im Interesse des Mandanten derartige Mittel einzusetzen.
Ein Mitglied aus dem DAV-Ausschuss Anwaltsethik und Anwaltskultur gibt seine ganz persönliche Antwort. Wenn Sie es anders sehen: Schreiben Sie dem Ausschuss. Antworten werden im Anwaltsblatt veröffentlicht.