Das ganze Leben lässt sich über das Smartphone organisieren: Pizza bestellen, Geschenke kaufen, die Liebe des Lebens finden. Da liegt der Gedanke nahe, dass das auch bei der Jobsuche gelingt. Tatsächlich ist es für Jura-Absolventen so einfach wie nie, nach dem Referendariat über das Netz eine Arbeitsstelle zu finden, das „mobile recruiting“ macht es möglich. Sie brauchen nur ein Smartphone oder einen Tablet-Computer, dann liefern ihnen Dienstleister die Jobs auf dem Silbertablett.
Nicht einmal eine umfangreiche Bewerbungsmappe ist heute für den Erstkontakt nötig. Auf der Internetseite des Frankfurter Startups Legalhead (legalhead.de) zum Beispiel muss der frisch gebackene Anwalt nur ein Profil einrichten, das sich allein an den wichtigsten Fakten orientiert: Name, Noten, sonstige Qualifikationen, gewünschte Position, Gehaltsvorstellungen. Den Bewerbern werden dann die Stellen vorgestellt, die zu ihrem Profil passen. Umgekehrt werden die Kanzleien über die Kandidaten informiert. Sind beide aneinander interessiert, heißt es wie bei anderen Partnerkontaktbörsen heute üblich „Match“ und beide Seiten können miteinander in Kontakt treten – ohne vorher stundenlang die Stellenanzeigen durchgeblättert oder sich auf Jobmessen herumgetrieben zu haben.
Umgekehrt kann der Jobsuchende auch dankend ein Angebot ablehnen, ohne dass er sich für die Zukunft alles verbaut, schließlich ist er anfangs noch komplett anonym im Netz unterwegs. Für Bewerber ist es auch finanziell interessant, sich über Legalhead einen Job zu suchen. Das Startup verspricht ihnen fünf Prozent ihres Jahresgehaltes, sollten sie über die Plattform tatsächlich eine Stelle finden. Das zweigt Legalhead von der Provision ab, die es von den Kanzleien bei Vertragsabschluss kassiert. Bis zu 7.000 Euro können für den Anwalt dabei herausspringen. Rund 20 Kanzleien arbeiten inzwischen mit Legalhead zusammen, dazu gehören große internationale Wirtschaftskanzleien wie Hogan Lovells genauso wie mittelständische Sozietäten wie Kapellmann oder Luther. „Wir wollen den Markt transparenter und schneller machen“, sagt Legalhead-Geschäftsführer Clemens Reichel. Jahrelang hat er als Personalberater Headhunting „offline“ betrieben, wie er es nennt. Jetzt ist er nur noch digital unterwegs. „Bisher ist alles sehr zeitintensiv, besonders für den Bewerber. Der musste sich jetzt erst mühsam einen Überblick verschaffen.“
Seit Oktober 2015 gibt es Legalhead inzwischen. Das kleine Unternehmen ist bislang das einzige, das sich allein auf Anwälte spezialisiert. Die App „Truffls“ dagegen ist breiter aufgestellt und wirbt wohl nicht umsonst mit dem Hinweis auf die Erfolgsgeschichte von „Tinder“, dessen Gründer sich rühmt, mit seiner bewusst knapp gehaltenen Flirt-App schon unzählige Paare zusammengebracht zu haben. Dass das Angebot bei den Bewerbern einen Nerv trifft, liegt auf der Hand. Ganz selbstverständlich gehen Jura-Absolventen ins Internet, um sich auf den Online-Portalen nach offenen Stellen zu erkundigen. Und das Online-Angebot wird immer ausgefeilter, es erschöpft sich nicht mehr nur in simplen Stellenanzeigen. Inzwischen nutzen 40 Prozent der Jobsuchenden das Smartphone, wie die Studie Bewerbungspraxis 2015 der Universität Bamberg ergab. Hogan Lovells gehörte zu den ersten, die den Service von Legalhead ausprobierten. Offensichtlich mit Erfolg, denn die Kanzlei hat so schon zu Dutzenden von Kandidaten Kontakt aufgenommen und auch bereits einige Anwälte rekrutiert. Für Klaus Knoblauch, bei Hogan Lovells zuständig für das deutschlandweite Personalmarketing, ist es spannend, was sich in letzter Zeit im Recruiting getan hat – besonders wenn man bedenkt, dass sich in diesem Bereich lange nicht viel verändert hat. „Jetzt gibt es jedes halbe Jahr etwas Neues auf dem Markt.“ Getrieben wird diese Entwicklung besonders von dem „War of talents“. Vor allem die Wirtschaftskanzleien balgen sich um den Nachwuchs; der Pool an Bewerbern ist für ihre Bedürfnisse nicht groß genug. Das hat sich in den vergangenen Jahren erheblich auf die Einstiegsgehälter ausgewirkt, inzwischen sind Jahresgehälter von 100.000 Euro keine Seltenheit mehr. Jetzt muss man auf anderen Ebenen punkten. Bei der Schnelligkeit zum Beispiel.
Hoher Marktdruck
Claudia Trillig, Director Human Resources in der internationalen Großkanzlei Baker McKenzie, würde nur zu gerne wie ihre Kollegen in London ein Assessment-Center mit den Kandidaten abhalten. Doch das koste aus Sicht der Bewerber viel zu viel Zeit, bedauert sie. „Da ist der Marktdruck einfach zu hoch.“ Die Sozietäten seien sehr darum bemüht, die viel zitierten „High Potentials“ so schnell wie möglich kennenzulernen und in den Rekrutierungsprozess einzuladen, so dass Baker McKenzie in der Regel Bewerbern bereits nach einem Tag eine erste Rückmeldung auf die Bewerbung gibt und innerhalb weniger Tage ein persönliches Kennenlernen organisiert. Das ist für die Bewerber bequem, den Spielraum der Arbeitgeber engt dieser harteWettbewerb natürlich ein. „Wenn Kandidaten ein und denselben CV über Personalvermittler streuen können, wie wollen Sie dann die Kandidaten dazu motivieren, ihre Daten jedes Mal aufs Neue in ein völlig anders gestaltetes Online Tool einzugeben“, sagt Trillig.
Für die Arbeitgeberseite macht die App das Leben nicht immer angenehm. „Man bekommt ein wenig den Eindruck, dass manche Kandidaten sich mit diesen Apps etwas wahllos auf mehrere Kanzleien bewerben“, moniert Trillig. Kein Wunder, schließlich müssen sie dafür noch nicht einmal wissen, welche Rechtsgebiete die Sozietät überhaupt abdeckt – der Matching-Prozess übernimmt diese Aufgabe. Bei aller Euphorie über die neuen Möglichkeiten im Netz – wahr ist auch, dass viele Kanzleien noch sehr zurückhaltend damit sind, diesen neuen Weg zu beschreiten. Fragt man im Markt herum, hört man sowohl von Personalberatern als auch von Kanzleien selbst, in der traditionell gefärbten Branche sei man schlicht noch nicht so weit. Das mag damit zusammenhängen, dass einige Arbeitgeber auch den zusätzlichen Zeitaufwand fürchten, schließlich gibt es dann noch eine Stufe mehr im Bewerbungsprozess. Der Erstkontakt mag dadurch einfacher geworden sein, aber am eigentlichen Bewerbungsprozess ändert sich naturgemäß nur wenig.
Schließlich müssen die Kanzleien immer noch ihre Kandidaten auf Herz, Nieren und einen angemessenen Notendurchschnitt prüfen. Und das geht nun einmal nur über mehrstufige Bewerbungsgespräche und umfangreiche Unterlagen, die Bewerber inzwischen hauptsächlich per PDF versenden oder im Internet hochladen. Kanzleien mögen es ohnehin lieber, wenn sie ihren Nachwuchs schon früh an sich binden, möglichst schon mitten im Studium durch Praktika, spätestens jedoch durch eine Station im Referendariat. Je früher desto besser. Haben die Kanzleien erst einmal einen potentiellen Kandidaten am Haken, lassen sie ihn auch nicht so schnell los.
Baker McKenzie hat eigens das „Career Mentorship Programme“ ins Leben gerufen, das selbst für Praktikanten schon alles bereithält, wovon Anwälte früher nur träumen konnten: Summer Camps, Englisch-Kurse, gar Jahresentwicklungsgespräche, in denen frühzeitig Ziele formuliert werden sollen. Selbst bei anderen Jobs ist die Kanzlei behilflich. „Wir haben vielversprechende Praktikanten auch schon mal an Mandanten vermittelt“, sagt Trillig. Natürlich in der Hoffnung, dass sie zur Erkenntniskommen, dass es bei Baker McKenzie doch schöner ist.